Filtertheorien

2.2.2 Filtertheorien

Die Filtertheorien greifen die Kritik an textbasierten Kommunikationsmedien durch die Kanalreduktion auf. Die Theorien „cues-filtered-out approaches“ (vgl. Culnan & Markus 1987)⁠ und „reduced social cues approach“ (RSC) (vgl. Kiesler, Siegel & Timothy 1988)⁠ weisen jedoch auf die entstehenden positiven Aspekte hin. So sind durch die Entkontextualisierung wenig bis keine soziodemographischen Hintergrundinformationen über die Kommunikationsteilnehmer vorhanden. Diese werden in alltäglichen Situationen dafür verwendet, um Personen auf den ersten Blick einzuschätzen. Der erste Eindruck kann jedoch entscheidend für das Zustandekommen der Kommunikation sein.

Um die Kanalreduktion zu kompensieren, werden bei der textvermittelten CviK übertragene Hinweisreize gefiltert und diesen wenigen Reizen eine erhöhte Bedeutung zugesprochen. Das führt einerseits zur erhöhten Aufmerksamkeit bezüglich der Selbstdarstellung, andererseits zur stärkeren Gewichtung der Kommunikationsinhalte. Dadurch können Aussagen fehlinterpretiert werden, wenn diese außerhalb des Kontextes von Stimme, Tonfall und Gestik stehen. Jedoch können auch aufgrund der erhöhten Aufmerksamkeit Metanachrichten, die „zwischen den Zeilen“ stehen, ggf. bei nochmaligem Lesen herausinterpretiert werden.

Bei der textvermittelten CviK ist eine scheinbare anonyme und pseudonyme Kommunikation möglich. Dabei tritt hinsichtlich sozialer Hintergrundvariablen ein Nivellierungseffekt auf: Weder materielle Statussymbole, elegante Kleidung oder eine laute Stimme schaffen in diesem Kontext einen Kommunikationsvorteil. Aufgrund der Anonymität und dieser Nivellierung werden Hemmungen, Hürden, Privilegien und Kontrollen abgebaut. Das führt zu positiven und negativen Effekten. Einerseits kommt es zu verstärkter Offenheit, Ehrlichkeit und Anteilnahme. Besonders in Konfliktsituationen kommt es aber andererseits zu offenen Feindseligkeiten sowie zu normverletzendem und antisozialem Verhalten. Die Unverbindlichkeit der Kommunikation und die scheinbar nicht vorhandenen, alltagsbezogenen Sanktionsmöglichkeiten steigern die Emotionalität und Offenheit der Aussagen, was jedoch nicht netzspezifisch sein muss, da sich genügend Beispiele, wie bei der Telefonseelsorge, auch bei nicht CviK finden lassen (vgl. Döring 2003: 155 f.)⁠. Aggressives Verhalten, z. B. in der Form von persönlichen, beleidigenden Beiträgen, wird ebenfalls begünstigt.

Durch die Filtertheorien wird der Standpunkt vertreten, dass die CviK nicht pauschal defizitär ist, sondern sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringt. Jedoch teilen sie mit der Theorie der Kanalreduktion die technikdeterministische Sichtweise auf die CviK-Effekte. Der moderierende und regulierende Einfluss von sozialen Systemen wird dabei ebenfalls vernachlässigt. Die Filtertheorien gehen tendenziell von der CviK zwischen Unbekannten aus. Bereits bestehende Kontakte, mit welchen aufgrund eines Medienwechsels nun computervermittelt kommuniziert wird, bleiben unberücksichtigt. Ebenfalls nicht einbezogen werden die aktuellen Kommunikationsmöglichkeiten, welche zur Entstehungszeit der Theorien noch nicht vorhanden waren.

Kaiser, A. (2011): Social Virtuality – Strukturen, Dynamik, Analyse und Simulation in sozialen virtuellen Netzwerken (1. Aufl.). Herzogenrath: Shaker Verlag

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Informatiker (Dipl-Inform (FH) & MSc.), Analyst (SNA) und Fachbuchautor
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